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Wilhelm Reim

Wilhelm Reim
(*1940 +2012) Der Brückenbauer

 

Wilhelm Reim war ein echter Bayer. Er wurde 1940 in München geboren und ist dort auch aufgewachsen. Seinen Vater durfte er nie kennen lernen, weil dieser aus dem Krieg nicht mehr zurück kam; er ist bis heute vermisst. Willi besuchte das Wilhelmsgymnasium in München und entschied sich nach dem Abitur für ein Ingenieurstudium, Fachrichtung Vermessungswesen. Seine berufliche Laufbahn begann bei der Firma BBC in München. Dort lernte er auch seine Rosina kennen – und sie heirateten im Jahre 1965.  Tochter Monika und Sohn Bernhard machten die Familie komplett.

 

Am Anfang ihrer Ehe bereiste Willi oft mit Rosinas Familie die alte Heimat und identifizierte sich bald mit dem Schicksal der Vertriebenen. Als gelernter Vermessungsingenieur verbrachte er mit seinem Schwiegervater viele Stunden auf dessen ehemaligem Eigentum, den Feldern und Fluren der Sprachinsel. Schon vor der Grenzöffnung gelang es ihm, die alten Flurkarten aus dieser Gegend zu beschaffen.

 

Mit großer Begeisterung beschäftigte er sich damit und gab die Informationen auch gerne an alle interessierten Sprachinsler weiter. Im Zuge dieser Recherchearbeiten blieb es natürlich nicht aus, dass sich Willi nicht nur mit alten Dokumenten, sondern auch mit der besonderen Tracht der Wischauer Sprachinsel beschäftigte. Seit Mitte der 1980er Jahre war er aktiver und überzeugter Trachtenträger. Er wurde bei vielen Auftritten und Präsentationen sehr oft für einen waschechten Wischauer gehalten; er genoss es und schwieg!

 

Sein fundiertes Wissen und seine hervorragenden Ortskenntnisse führten dazu, dass er immer öfter auch Reisen organisierte und mit vielen verschiedenen Gruppen die „alte Heimat“ besuchte. Aus ersten zaghaften Kontakten mit den heutigen Bewohnern der Sprachinseldörfer entwickelten sich im Laufe der Zeit intensive Begegnungen, Freundschaften und erste grenzübergreifende Projekte. Als Erinnerung und Referenz an die ehemaligen Bewohner des Geburtsdorfes von Rosina gibt es in dem neuen Gemeindezentrum in Rosternitz (Rostěnice) eine entsprechende Dauerausstellung, an deren Konzipierung und Umsetzung Willi maßgeblich beteiligt war. Ein weiteres Projekt war eine Ausstellung in der Wischauer Bibliothek über Kultur und Leben in der früheren Sprachinsel. Diese stieß auf große Resonanz in der tschechischen Bevölkerung, weil nach 60 Jahren erstmalig eine Präsentation dieses Themas ermöglicht wurde. Viele Ausstellungen folgten.

 

Wenn Willi und Rosina dann von Reisen und Ausstellungen wieder zurückkamen, ging die Arbeit zu Hause erst richtig los. Gemeinsam erarbeiteten sie auch hier viele Projekte:  eine Sterbebilderdatei, eine Ausstellung über Geldscheine von 1900 bis zur Vertreibung im Jahre 1945, eine Ahnentafel, eine Bibliografie und vieles mehr. Hervorzuheben ist der jährliche Sudetendeutsche Tag. Es war für ihn ein persönliches Bedürfnis, den Wischauer Stand attraktiv und immer wieder neu zu gestalten. Die enorme Vor- und  Nacharbeit nahm er selbstverständlich in Kauf. Sein letztes großes Werk für die Wischauer war die Konzeption des neuen Informations- und Begegnungszentrum in Fachsenfeld. Er hat auch hier millimetergenau alles ausgerechnet, zusammengestellt und dann persönlich mit Freunden gemeinsam aufgebaut. In offizieller Funktion war Willi seit einigen Jahren Heimatkreisbetreuer für die Wischauer Sprachinsel in der Sudetendeutschen Landsmannschaft.

 

Alle, die Willi gekannt haben und mit ihm zu tun hatten, werden sich einerseits an seine Akribie und Professionalität gerne erinnern,  andererseits bleibt im Gedächtnis, dass er ein echtes Münchner „Gwachs“ war. Sein Humor war hintergründig, sein Lächeln verschmitzt, seine Art war direkt und dafür mochten ihn seine Freunde und Bekannten.

(Rosina Reim / Monika Ofner-Reim, 2012)