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Beschreibung der Tracht aus der Wischauer Sprachinsel

Durch ihre Abgeschlossenheit gegenüber dem tschechischen Umland war die kleine deutsche Sprachinsel bei Wischau - in Bezug auf die Trachten – sehr wenigen Einflüssen ausgesetzt. So konnte sich hier eine Tracht erhalten, wie sie zu dieser Zeit fast nirgends mehr in dieser Vielfalt angetroffen wurde.

 

Die farbenprächtige und aufwendige Tracht wurde von der gesamten Bevölkerung ausschließlich getragen, und das natürlich auch bei der Vertreibung. Dadurch können wir noch heute auf einen reichhaltigen Fundus von Originalstücken zurückgreifen, wie es wohl einzigartig ist. Unser Problem ist allerdings die Paßform der Trachten: es wurden die Gewänder früher ja immer für den Träger oder die Trägerin maßgeschneidert, und so haben wir einzelne Teile wie Blusen oder Herrenhemden und –hosen auch für uns nach Maß, aber nach den alten Schnitten, neu angefertigt.

 

Unsere Tracht genau zu erklären, würde mehrere Seiten füllen. Ich will versuchen, einen Überblick über die Vielfalt zu geben. Beginnen möchte ich mit der Männertracht:

 

Im Gegensatz zur bunten Frauentracht war diese eher von dunklen, gedeckten Farben geprägt.

 

Die Männer trugen schwarze, lange Hosen aus Wollstoff oder "Soummat" (Cord- oder Schnürlsamt), werktags aber auch die sogenannten "Stiefelhosen", die im unteren Teil aus leichtem Stoff waren. So konnten sie bequem in die "Röhrnschuach" (= hohe Männerstiefel) gesteckt werden.  Dazu wurde die "Foit" (= Hemd) aus weißer Leinwand getragen, zur Arbeit allerdings aus fester, blaugestreifter Baumwolle.

 

Darüber kam der "Brustfleck" (= ärmelloser Spenzer), welcher meistens aus bedrucktem, rotgrundigem Samt gearbeitet war, am Rand mit grüner Kordel verziert und mit zweireihigen Messingknöpfen geschlossen. Die Variante für die älteren Männer war aus blauem Samt, und dieser wurde mit einer Reihe Messingknöpfe geschlossen.

 

Dazu wurde die "Joppn" (= Jacke) aus schwarzem Wollstoff oder schwarzer Leinwand getragen, im Winter auch noch eine pelzgefütterte Wolljacke. Das grüne Samtkappl und der schwarze Wollhut, oder die ältere Variante, der dunkelgrüne Plüschhut, vervollständigten die Garderobe.

 

Bei Hochzeiten und Feiertagen wurden dann die feinen, weißen, mit Monogramm bestickten Hemden getragen. Dann wurden auch die handgestickten Hosenträger angelegt, und der Hut oder das Kappl wurden mit bunten "Sträußeln" geschmückt. Die schwarzen Lederschuhe und auch die Reitstiefel und "Röhrnschuach" wurden vom Dorfschuster handgefertigt.

 

 

Die Tracht der Frauen und Mädchen war dagegen sehr vielfältig: schon an der Kleidung konnte man den Stand der Trägerin erkennen.

 

Beginnen wir bei den Schuhen: die "Rahmlschuach" wurden nach Maß vom Dorfschuster gemacht. Es waren schwarze Lederschuhe (manchmal auch aus Lackleder), die mit aufwendigen, grünen Steppmustern verziert wurden. Über dem kleinen Absatz war ein rotes "Randl", welches immer sorgsam mit Zichorie-Papier abgerieben wurde, damit es die schöne rote Farbe behiellt. Es gab auch noch Schuhe, die halb aus Leder und halb aus Samt gefertigt waren, und die knöchelhohen "Bodgan", kleine Stiefelchen mit Messinghaken zum Schnüren. Alle Schuhe aber wurden mit blauen Schleifen gebunden.

 

Die orangefarbenen Wollstrümpfe galten für jedes Alter.

 

Die Röcke waren alle in kleine Plisseefalten gelegt, egal ob Unterrock oder Überrock. Sie waren aus festem, karierten Baumwollgewebe ("da strakaten Schiaz)"), bedruckten Wollstoffen, genannt "Kalmuck", oder aus gestreiftem Wollflanell ("da flanetan Schiaz"). Und es gab schwarze Röcke aus weichem, fein glänzenden Stoff, "Glott" genannt. Unter dem Überrock wurden mindestens zwei Unterröcke getragen, die um die Hüften nochmals aufgepolstert waren mit dem "Bankal" – ein genähter Wulst, der den Röcken (und der Trägerin!) die ausladende Form gab.

 

Im Gegensatz zum weichen, schwarzen "Glottschuaz" stand dann der steife, glänzende "glitzat Schuaz". Der wurde aus feiner, schwarzer Leinwand gemacht, die gelackt oder geleimt war, und war ebenfalls in kleine Falten gelegt. Darunter trugen die Frauen zwei oder drei weiße, steif gestärkte und mit der Kulmschere in Falten gelegte Unterröcke.

 

Ein weißer, fein plissierter Rock aus "pollerischer Leimat" (= polnische Leinwand?) durfte unter dem schwarzen Rock "blitzen", das heißt, er durfte unten vorschauen. Mit diesen Röcken konnte man dann aber nicht sitzen, sie wurden nur zum Kirchgang bei der Hochzeit oder zu besonderen Festlichkeiten getragen. Beim Knien in der Kirche blieben die Röcke "wie eine Glocke" steif am Boden stehen. Der Rockbund, die "Riech", wurde von den Frauen mit bunten Blumenmustern bestickt, oder für die Unterröcke aus festem Baumwollband genäht.

 

Die Schürze ("da Fiastejck) war aus schwarzem "Glott" oder steifer, schwarz gefärbter Leinwand gearbeitet, die Festtagsschürze aber aus fein glänzender, weißer "pollerischer Leimat". Die weißen, gestärkten Schürzen waren am unteren Rand bestickt und zudem mit einer Spitzenborte verziert. Der Schürzenbund ("da Fiastejck-Riech") war wiederum reich bestickt mit bunten Mustern. Die Schürzenbänder wurden nach vorne gebunden und hingen über die Schürze herab. Es waren manchmal bedruckte Seidenbänder, meistens aber handbestickte Baumwoll- oder Seidenbänder. Bei den Mustern zu diesen Bändern konnten die Frauen und Mädchen ihrer Phantasie freien Lauf lassen: sie wurden prächtig bestickt und jedes der Bänder war anders gestaltet. Hier herrschte die Farbe rot vor, nur bei Trauer oder in der Fastenzeit trug man blaue Bänder.

 

Die kurzärmelige Bluse, das "Miaderl", wurde das ganze Jahr über getragen. Sie war am Ärmelabschluss mit alten, überlieferten Kreuzstich-Mustern in schwarz, rot oder orange bestickt, und an den Schultern waren es dann schon bunte Blumenmuster, je nach Geschmack der Trägerin. Die Bluse war aus weißem Baumwollstoff genäht, für die Festtagstracht aber ebenfalls aus "pollerischer Leimat, wie die Schürzen.

 

An die Bluse wurde das markanteste Merkmal unserer Tracht angenäht: die gestärkten und gekulmten Spitzenkrägen, Tatzl genannt. Die "Tatzl" wurden schon von den ganz kleinen Mädchen getragen, und auch die "Ahndl", also die Omas, verzichteten nicht darauf. Bei der Arbeit wurde eine kurze Form aus einfacher Leinwand getragen, die älteren Frauen verzierten ihren Kragen mit Hohlsaum-Stickereien, doch am schönsten waren natürlich die Spitzenkrägen. Sie waren oft handgehäkelt oder aus Maschinenspitze, und das Bügeln und Kulmen war eine Wissenschaft. Wer es nicht selber machen konnte, trug seine Krägen zur "Büglerin", und jede dieser Frauen hatte wohl ihr Geheimnis, wie die "Tatzl" besonders schön glänzten und besonders steif gebügelt wurden.

 

Über der Bluse wurde das Mieder, genannt "Jankerl", getragen. Diese waren meistens aus Seidenstoffen, aber auch aus Samt- oder Baumwollstoffen genäht. Hier herrschten wieder die Farben rot und blau in allen Schattierungen vor. Beim "Jankerl" wurden am Halsabschluss und vorne an der Knopfleiste blaue Seidenbänder aufgenäht, es wurde aber nur bei den kleinen Mädchen direkt zugeknöpft. Nach der Schulentlassung durften die Mädchen die "Haklbandl" tragen, das hieß die Jankerl wurden mit roten Seidenbändern geschlossen.

 

Darüber kamen dann die langärmeligen Jacken, Jöppl genannt, aus schwarzem oder violettem Samt, und im Winter eine pelzgefütterte, schwarze Wolljacke.

 

Als Kopfbedeckung wurde von allen Frauen das Kopftuch getragen. Die großen, mit einer bunten Bordüre bedruckten Tücher kamen aus Wien oder Leipzig. Sie waren rot- oder schwarzgrundig, und konnten in vielen verschiedenen Mustern beim Dorfkaufmann gekauft werden. Das Kopftuch wurde bei den verheirateten Frauen über eine baumwollene Haube gebunden, unter der die Haare versteckt waren. Die jungen Mädchen trugen unter dem Kopftuch ihren Zopf mit einer bunten Schleife daran, dem "Glejkal" (= Glöckchen).

 

An hohen kirchlichen Festtagen und bei Hochzeiten trugen die jungen Mädchen das "deutsche Kranzl", ein Kopfputz aus bunten Perlen, Spiegelchen und Flitterzeug, die verheirateten Frauen das "Hapntiachl", das gestärkte, weiße Haubentuch mit bestickten Bändern.

 

Bis zur Vertreibung 1946 wurde die Wischauer Tracht in den sechs Dörfern der oberen Sprachinsel ausschließlich getragen. Erst in der neuen Heimat legten die Männer und Frauen ihre althergebrachte Tracht ab und "verkleideten sich", wie sie zur normal üblichen Kleidung sagten. Nur viele der alten Leute konnten sich nicht mehr umgewöhnen. Sie trugen ihre Tracht, wie es Zuhause üblich und schicklich war, bis zu ihrem Tode.

 

Die Wischauer Tracht hätte sich in dieser Form mit Sicherheit nicht bis in die heutige Zeit halten können, dazu war sie zu aufwendig zu pflegen und erhalten. Und sie konnte sich auch nicht mehr natürlich weiterentwickeln, da sie nicht mehr als Kleidung im Alltag getragen wurde.

 

Seit den 1980-er Jahren haben wir vermehrt an Veranstaltungen teilgenommen, um unser Kulturgut auch in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Wir tragen dabei die vererbten Original-Trachtenstücke unserer Vorfahren, nur dort ergänzt oder erneuert, wo es unbedingt nötig war. Unsere Maxime dabei ist: nur eine getragene Tracht bleibt lebendig. Es ist zwar wichtig, die Sachen in Museen auszustellen, aber es ist viel schöner, diese außergewöhnlich bunte, prächtige Tracht in Wirklichkeit zu erleben.

 

(Christine Legner)