Wallfahrten der Sprachinsler

 Wenn im Frühsommer auf den Feldern das Getreide reifte und bevor die Erntezeit den vollen Einsatz der Landwirte und ihren Helfern erforderte, gab es noch eine etwas ruhigere Zeit, um noch zum Wallfahren oder auf den „Goudsbaich“ (den Gottesberg) zu gehen.

 

links: Korb; rechts: Zejka

Schon am Vorabend der Wallfahrt wurde im „Bischakarbl“ (Wischauer Korb) oder „Zejka“ (Strohtasche) Proviant und etwas zum Trinken eingepackt. Auch das „gria Tuach“ (grüne Tuch) wurde zum Schutz vor dem Regen bereitgelegt.

 

Am nächsten Morgen sammelten sich die Pilger, meistens am Dorfende, wo es dann als Prozession, voraus das Kreuz mit Fahnen und dem Vorbeter, unter abwechselnden Gesang und Beten des Rosenkranzes, in Richtung Nemtschan (Nemojany)oder Kiritein (Křtiny) ging. Am Wallfahrtsort wurde eine heilige Messe gefeiert, jeder Pilger hatte hierbei oder auch nachher Gelegenheit, seine ganz persönlichen Anliegen, die von Familienangehörigen oder von Haus und Hof vor dem Gnadenbild darzubringen.

 

Wallfahrt Hostein
Wallfahrt Kiritein
Wallfahrt Wranau

Geistig gestärkt ging es am Nachmittag wieder mit einer Prozession zurück zum Heimatdorf. Des Öfteren wurden die Fußpilger von Kiritein (Křtiny) kommend in Ratschitz (Račice) von Angehörigen erwarten, um sie nach einer kurzen Rast – versehen mit einer kleinen Stärkung, und um ihnen den längeren Fußmarsch etwas abzukürzen – im „Bischabangl“ (Wischauer Wagen) nach Hause gebracht.

 

 

Wurde die Wallfahrt auf zwei Tage ausgedehnt, übernachtete man auch in Kiritein. Dort hielten tschechische Bewohner einfache Räume bereit, um gegen ein kleines Entgelt auf dem Fußboden übernachten zu können. Im Heimatdorf wurden die Pilger von den Daheimgebliebenen – hauptsächlich von den Kindern – erwartet, die sich schon auf die mitgebrachten kleinen Geschenke und Andenken freuten.

 

Nach Nemtschan und Kiritein pilgerten auch einzelne oder mehrere Familien mit dem bespannten „Bischabangl“. Größere Wallfahrten, die mehrere Tage dauerte, führten die Sprachinsler auch nach Velehrad oder Maria Zell in Österreich.

 

So nutzten die Sprachinsler die Vorerntezeit, um den Segen für Familie, Haus und Hof von den verschiedenen Wallfahrtsorten einzuholen. Diese Wallfahrten, die über einen sehr langen Zeitraum ein fester Bestand in der Sprachinsel waren, endeten jäh mit der Vertreibung. Heute Jahrzehnte nach der Vertreibung besuchen Sprachinsler wieder die ihnen vertrauten oder durch Erzählungen bekannten Wallfahrtsorte. Dabei werden sie sicherlich all jene Angehörigen in ihren Anliegen und Fürbitten mit einschließen, die selber vor Jahrzehnten mit den früheren Dorfgemeinschaften zu den vertrauten Wallfahrtsorten pilgerten.

 

Josef Legner, früher Hobitschau

 

Wischau 4